Berchtesgadener Alpen
Deutschland
2025

Watzmann-Überschreitung


19. 9. 2025 - 20. 9. 2025

Peter Schrammel

Wetter

wolkenlos

Bewertung 

******: Überlaufener Klassiker (völlig zu Recht!): Aufi muaß i, und obi a wieda!

Wegverlauf

1. Tag: Wimbachbrücke: 630m - Watzmannhaus, 1930m;
2. Tag: Watzmannhaus - Hocheck, 2651m - Mittelspitze, 2713m - Südspitze, 2712m - Wimbachgrieshütte, 1327m - Wimbachbrücke

Unterkünfte

Watzmannhaus, 1930m

Höhenmeter

2383m (1. Tag: +1301/-1; 2. Tag: +1082/-2382)

Weglänge

25km (1. Tag: 8km; 2. Tag: 17km)

Zeitaufwand

11h15 (1. Tag: 3h; 2. Tag: 8h15 (1:45 + 0:35 + 1:10 + 3:00 + 1:45))

Kondition 

DG

Schwierigkeit 

I, B-C: zum Watzmannhaus ein paar kleine Felsstufen und eine kurze Holzleiter 0; zum Hocheck: sich aufsteilende Flanke oft 0+, Felsbarriere zum Vorgipfel A und I- auf 50m; letzte 50m zum Gipfel über Platten I-; zur Mittelspitze: Querungen und Zackengrat A-B, danach oft A und I- auf und westlich des Grats, Platten A, steiler Pfeiler nach Felsfenster B, dann steile Bänder A; zur Südspitze: 10m Schrofenabstieg I-, dann steile Platte über Ostwand A-B, ungesicherte Querung I-, Pfeiler mit Stufen A-B, enge Schlucht A, danach oft A-B und I- auf und westlich des Grat, auch oft Gehgelände, vor und um blockigen Turm A-B, schöner Schrofenabstieg durchwegs I-, eine Stelle I, schottriges Gehgelände auf Westseite um Wetterstation herum, dann A-B zu einer Scharte, 2m Stufe I auf der Ostseite, dann A-B und I- zum Gipfel; Abstieg: durchwegs Stellen I- und A-B auf Südostgrat und Südschlucht, eine 4m Stufe B-C, nach Schotterfeld oft 0+, einige Passagen A-B, kurz auch B, nach Schönfeld Bachbett und Grabenquerungen manchmal 0+, zuletzt eine Grabenquerung A und sandige Latschengassen A (Ketten) und 0+

Gefährlichkeit 

7: zum Watzmannhaus zuletzt Querung auf breitem Weg 2; zum Hocheck: <4; Hocheck-Gipfel! Zur Mittelspitze: Querungen und Zackengrat 7, danach oft auf Gratschneide 6, auf Westseite 5; Gipfelbereich der Mittelspitze! zur Südspitze: Platte und Pfeiler auf Ostseite 7, auf Westseite durchwegs 5, blockiger Turm 6, dann im Bereiche der Wetterstation wieder 5, mehr und mehr ausgesetzt 6, Querung auf Ostseite 6, Gratschneide 6, zuletzt 4-5; Gipfelbereiche der Südspitze! Abstieg: Südostgrat durchwegs 5, Südschlucht 3-4, Querung zur zweiten Steilstufe und zweite Steilstufe 3-4, Grabenquerungen im unteren Bereich 5

Besucheraufkommen 

e

Bemerkungen

Öffi-Tour

Bericht

1. Tag: Ich verfolgte die Wettervorhersagen über eine Woche lang, bis es klar wurde, dass es von Donnerstag bis Sonntag stabiles Wetter geben würde. Ich hatte Zeit für eine Zweitagestour. Viele Hütten waren schon seit langem ausgebucht. In der Niedersachsenhütte hingegen war noch viel Platz. Ich wollte etwas, wohin man öffentlich anreisen konnte. Am Donnerstag schaute ich noch einmal nach und plötzlich war ein einzelner Lagerplatz auf dem Watzmannhaus frei. Da ich dort schon immer einmal hin wollte, zögerte ich nicht lange. Die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln war von Amstetten in rund 3 Stunden möglich. Perfekt. Ich nahm mir den Freitag frei und um 9 Uhr saß ich im Zug nach Salzburg. Im mit Königssee-Touristen gefüllten Bus ging es in Richtung Berchtesgaden. An der deutschen Grenze musste der Bus stoppen, denn die Polizei kontrollierte die Ausweise rigoros. Am Bahnhofsvorplatz in Berchtesgaden herrschte totales Verkehrschaos wegen Autos, die in der Halteverbotszone im Weg standen; in Folge stauten sich die Busse auf die Hauptstraße zurück. Vor 12 Uhr 30 erreichte ich die Wimbachbrücke. Der Parkplatz war komplett voll. Das öffentliche WC war willkommen, und nachdem ich mich mit Sonnencreme eingeschmiert hatte, ging es los. Ein breiter Fahrweg führt in weiten Serpentinen auf die Stubenalm. Von dort hatte ich Sicht frei in Richtung Untersberg und Hohem Göll. Ich überholte drei Burschen, die auch auf dem Weg zur Hütte waren. Eine Forststraße quert leicht ansteigend zur versteckten Mitterkaseralm. Beide Almhütten luden zur Einkehr ein; ich wollte aber weiter, um die Aussicht von oben zu genießen. Ein felsiger Steig führte mich hinauf zur Falzalm; dabei wurde ich von einer Bergfläuferin überholt. Einige Bergsteiger verweilten auf den Bankerln der Falzalm, um das gewaltige Panorama zu studieren: von der dominanten Watzmannfrau über die Gipfel des westlichen Hagengebirges und den Hohen Göll zu den Bad Reichenhaller Voralpenbergen. Auf den letzten Serpentinen zum Sattel südlich der Hütte wurde der Weg alpiner: eine Holzleiter, breite Holzbrücken und Stufen vereinfachen den Aufstieg. Die Bergläuferin war da schon wieder unterwegs retour. Kurz nach 15 Uhr 30 erreichte ich die Hütte, die von innen völlig runderneuert ausschaute. Ich war in einem 16er Lager. Die Bierkarte war so lang, wie man es sich in einer bayrischen Hütte erwarten konnte. Ich bestellte mir zuerst einmal einen Kaffee und setzte mich auf die Terrasse. Barfüßig – die Hüttenschlapfen waren schon vergriffen – kam dort Strandfeeling auf, da der Untergrund in seinem felsig-schottrigen Naturzustand war. Nachdem die Sonne hinter dem Hochkalter untergegangen war, fielen die Temperaturen deutlich und die meisten strömten in die Gaststube zum Abendessen. Obwohl diese mit 150 hungrigen Mäulern gefüllt war, lief der Betrieb sehr flott und geordnet ab. Die Zeit zur Hüttenruhe verstrich schnell bei Geplauder über vergangene und zukünftige Bergtouren.

2. Tag: Auch wenn meine Smartwatch behauptete, dass ich mehrere Stunden geschlafen hätte, hatte ich mich gefühlt eher die ganze Nacht hin- und hergedreht. Auf den Wecker um 4 Uhr 45 musste ich nicht mehr warten, da andere im Zimmer denselben Plan hatten, schon vor dem Frühstück wegzugehen. Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir schon eine Lichterkette, die sich wie ein Fackelmarsch zum Hocheck hochschlängelte. Ich nahm mir Zeit, ein paar Bissen von meiner Jause zu essen, bevor ich gegen 5 Uhr 30 im Schein er Stirnlampe abmarschierte. Einige Bergsteiger, die in der Nacht im Tal aufgebrochen waren, kamen nun auch am Sattel an. Jupiter, Saturn und die schmale Mondsichel strahlten über der vagen Silhouette des Hohen Gölls. Die Wegfindung war anfangs einfach; weiter oben verliefen sich aber die Steigspuren und jeder kraxelte seinen eigenen Weg im leichten felsigen Gelände. Langsam wurde es heller und die hochliegenden Wolken wurden rötlicher. Nach einer steileren Felspassage erreichte ich die vom Watzmannhaus sichtbare Felsnase. Dort saßen einige Bergsteiger und warteten auf den Sonnenaufgang. Die mächtige Ostwand des Hochkalter verfärbte sich schön langsam von kühlem Violett nach Purpurrot, bis die Sonne plötzlich hinter dem Toten Gebirge hervorstach. Während ich über das flache Plateau in Richtung Gipfel wanderte, wurde ein junger Steinbock geweckt und trottete langsam von dannen. Auf den letzten Metern zum Gipfel mit Kreuz und Kruzifix war wieder Kraxeln angesagt. Es war 7 Uhr 20. Jede Felsplatte auf dem schmalen, ausgesetzen Gipfel war mit einem Bergsteiger besetzt. Manche kamen zum Entschluss, dass sie auf dem Weg bis hierher schon die Grenze ihrer Möglichkeiten erreicht hatten und lieber umdrehen wollten. Ich genoss das Panorama, das nun bis zu den Hohen Tauern reichte, aß im Stehen das nächste Stück meiner Jause und legte das Klettersteigset an. Auf einem Felsvorsprung auf der Westseite des Gipfels ist eine Biwakschachtel. Vor dieser war ein bisschen mehr Platz, den manche nutzten, um sich zu adjustieren. Die Spannung stieg, wie weit das, was ich auf Fotos und Videos vom Grat gesehen hatte, mit der Realität übereinstimmte. Es ging gleich einmal mit einer ausgesetzten Querung los, auf die eine messerscharfe, abfallende Schneide folgte. Ohne Drahtseil und Stangengeländer wären diese Stellen psychologisch wohl nur für die wenigsten bewältigbar. Das Klettersteigset gab mir an manchen Stellen zusätzliche mentale Unterstützung, es in jeden einzelnen Drahtseilabschnitt einzuhängen, machte für mich aber kaum Sinn. Es gibt an vielen ausgesetzten Stellen kein Seil und daher ist eine durchgehende Sicherung am Drahtseil sowieso nicht möglich; hingegen sind Tritte und Griffe fast überall ausgezeichnet. Bei manchen steileren Passagen hätte ich aber gerne Klettersteighandschuhe angezogen – die hatte ich aber zu Hause vergessen. Gehpassagen wechseln sich mit leichter Kraxelei auf dem Grat und an dessen Westseite ab. Gefühlt ging es die ganze Zeit nur bergab; also musste es irgendwann auch wieder hinauf gehen. Das erfolgte dann über eine große, schweißtreibende Platte, die voll in der Sonne lag. Ein Pärchen machte Fotos for einem Felsfenster. Nach ein paar Minuten konnte ich vorbei und steil entlang des Drahtseils eine Kante hinunter – die bisher schwierigste Stelle. Danach folgten wieder steile, plattige Bänder, nach denen ich plötzlich vor dem Gipfelkreuz stand. Wie am Hocheck war auch auf der luftigen Mittelspitze kaum ein Stehplatz frei. Während ich wieder an einem Stück Jause kaute, stellten sich die Leute auf dem Weg vor dem Gipfelkreuz fürs Gipfelfoto an. Es war 8 Uhr 15. Die drei Watzmann-Gipfel warfen ihren deutlichen Schatten über das Wimbachtal hinweg gegen die Ostwand des Hochkalter. Der weitere Verlauf des Grates zur Südspitze zeichnete sich ab: dieser war doppelt so lang wie der bisherige, und es ging wieder hauptsächlich bergab, bevor es gegen Ende wieder hinaufgehen sollte. Der obere Teil der berühmten Ostwand ist hier einsehbar. Auch die Biwakschachtel im oberen Teil der Wand ist als oranger Punkt erkennbar. Nach 20 Minuten Pause setzte ich meinen Weg fort. Nach dem Abklettern des Gipfelturmes, kam die Schlüsselstelle des Grates: zuerst musste ich entlang des Drahtseiles eine Platte in die Ostwand abklettern. Dann hörte das Drahtseil auf und es folgte eine 10m lange, abfallende Querung mit guten Tritten und Griffen... und 1800m Luft unter dem Hintern. Weiterhin sehr ausgesetzt ging es mit Drahtseilhilfe über eine steile Kante mit eingeschlagenen Tritten hinunter, bevor der Weg auf die Westseite wechselte. Es waren viele Leute unterwegs. Immer wieder kam es bei den steileren Drahtseilpassagen zu kurzen Wartezeiten. Ich begegnete immer wieder denselben Leuten: einmal überholte ich sie, dann überholten sie mich wieder. Bei einem markanten, abgeschnitteten Felsturm erreichte ich wieder den Grat. Der Turm wird auf der Westseite mit einem ausgesetzten Schritt umgangen. Danach folgt schöne, abwechslungsreiche Kletterei hinunter in eine Scharte vor dem Gratkopf, der eine Wetterstation trägt. Dieser wird auf einem Schuttband auf der Westseite umgangen. Danach kommt eine ausgesetzte Querung auf einem schmalen Band in der Ostwand, die mit einer nicht ganz einfachen, abzukletterenden Felsstufe garniert ist. Zuletzte macht ich die verlorenen Höhenmeter wieder wett und gelangte um 9 Uhr 50 in leichter Kraxelei zum Gipfel der Südspitze. Anders als auf den anderen beiden Gipfeln, war hier genug Platz für alle. Von hier hatte ich auch einen Blick auf des wunderschön auf einer Schutthalbinsel im Königssee gelegenen St. Bartholomä. Das Panorama reichte von den Stubaier Alpen über die Hohen Tauern zum Gesäuse und über den Böhmerwald zum Karwendel. Dabei blickt man über die gigantischen Felsfluchten der umliegenden Berge, das spärlich bewaldete Wimbachgries und das Steinerne Meer hinweg. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel und zeichnete jeden Felsen und jede Gletscherspalte am Großglockner und Großvenediger nach. Nach fast einstündiger Pause trat ich den gefürchteten Abstieg an. Dieser führt zuerst über den Südostgrat hinunter, bevor er einer Südschlucht folgt. Dabei muss fast durchgehend gekraxelt werden. Eine dortige, mit Drahseil ausgestattete, kaminartige Steilstufe war für mich die schwierigste Stelle der gesamten Tour. Auf das lose Geröll auf den Felsstufen musste man besonders aufpassen, um nicht die Bergsteigerkarawanen weiter unten in der Schlucht abzuschießen. Des Öfteren hallte es “Stein” zwischen den Wänden. Bald erreichte ich ein flacheres Schuttfeld, wo der Weg nach Westen aus dem Schussfeld bog. Dort packte ich meine Stöcke wieder aus. Ein Stück weit konnte ich auf einem Geröllfeld talwärts gleiten. Was ich von oben nicht sehen konnte, war, dass nach dem Schuttfeld eine weitere Steilstufe folgte, bei der mich die Stöcke wieder eher behinderten. Nach dieser kam eine weite Wiesenfläche, das Schönfeld. Manche Bergsteiger rasteten dort, um sich von den Strapazen zu erholen. Es gab dort auch eine Quelle, deren Existenz ich erst glaubte, als ich sie tatsächlich sah. Ich füllte eine meiner Flaschen auf – damit sollte ich bis zur Wimbachgrieshütte durchkommen. Eine nächste Steilstufe kündigte sich an, wo der Weg sich in einem ausgewaschenen Graben verlor. Dann wechselte er von Graben zu Graben in Richtung Südosten. Die Gräben wurden immer steiler und deren Querung immer ausgesetzter. Die Felsszenerie, die sie umrahmte, wurde immer surrealer. Bei der letzten Querung war der Weg abgerutscht und einzig ein Drahtseil erlaubte die Passage. Die rutschigen Latschengassen, die folgten, waren nicht minder gefährlich. Die schweren Ketten, die dort montiert waren, erfüllen ihren Zweck, auch wenn sie äußert unkomfortabel sind. Letztendlich erreichte ich einen Felssporn, wo ich mich entscheiden musste, entweder einen sandigen Steilhang hinunterzurutschen, oder einer Latschengasse weiterzufolgen. Ich entschied mich für letzteres und gelangte problemlos zum Grund des Wimbachgrieses. Dort schmierte ich mir noch einmal Sonnencreme nach, da mir auf dem weiteren Weg die Sonne gnadenlos ins Genick brennen würde. Die Steigspuren verliefen sich im schottrigen Talboden. Ich folgte einem Pärchen, dem ich auch am Grat schon begegnet war, und das eine vernünftige Route gewählt hatte. Vom Wimbach war keine Spur zu sehen - bei starkem Regen mussten viele Flussarme aber den Schotter umlagern und dabei so manchen Baum mit sich reißen. Gegen 14 Uhr 45 erreichte ich die Wimbachgrieshütte – Zeit für Kaffee, Kuchen und Radler. Der Gastgarten war voll; so setzte ich mich bei zwei Burschen dazu, die die Überschreitung ohne Hüttenübernachtung gemacht hatten. Dabei erfuhr ich, dass der Rekord für die gesamte Tour bei unglaublichen 2 Stunden und 47 Minuten lagt; davon eine halbe Stunde für den mühsamen Abstieg von der Südspitze, für die ich gerade 3 Stunden gebraucht hatte. Vor mir lagen jetzt noch fast 8km bis zur Wimbachbrücke. Es war jetzt klar, dass ich schon den Bus um 17 Uhr erreichen könnte. Um 15 Uhr 30 brach ich wieder auf und marschierte den breiten Wanderweg mit direktem Blick zur Hochkalter-Ostwand hinunter. Dieser Weg war wesentlich schöner, als ich mir ihn vorgestellt hatte. Nach Querung mehrere Arme des Schuttstromes ging der Weg in eine Forststraße über. Die gewaltige, durchfurchte Westwand des Watzmann war jetzt im prallen Sonnenschein. Ohne Stehenzubleiben marschierte ich an den Gastgärten des Jagdhaus Wimbachschloss vorbei. Weiter unten kam dann der Wimbach in durchsichtig hellem Blau an die Oberfläche. Die Wimbachklamm ließ ich aus. Um 16 Uhr 15 war ich am Parkplatz angelangt. Ich genoß die Sonne, bevor der Bus kommen sollte. Zu meiner Überraschung kam er 10 Minuten früher als im Fahrplan angegeben. Die weitere Rückfahrt war problemlos und so kam ich um 20 Uhr in Amstetten an.



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