Dachsteingebirge
Österreich
2025

Hoher Dachstein


30. 6. 2025 - 2. 7. 2025

Peter Schrammel, Alex Lechner (2. Tag)

Wetter

1. Tag: anfangs wolkenlos, dann zunehmend bewölkter am Nachmittag, 25° auf 2000m, 2. Tag: wolkenlos frühmorgens, ab 9 Uhr schon leicht bewölkt, dunkle Wolken um 11 Uhr, 15° auf 3000m, 3. Tag: anfangs wolkenlos, ein paar Wölkchen nach Mittag

Bewertung 

******: Würdige Besteigungsroute auf den eindrucksvollsten Gipfel der nördlichen Kalkalpen

Wegverlauf

1. Tag: Vorderer Gosausee Parkplatz, 890m - Hinterer Gosausee, 1168m - Am hohen Riedel, 2025m - Hosswandscharte, 2187m - Hoher Trog, 2359m - Simonyhütte, 2205m;
2. Tag: Simonyhütte - Hallstätter Gletscher, 2410m - Randkluft, 2865m - Hoher Dachstein, 2995m - Obere Windlucke, 2790m - Gr. Gosaugletscher, 2300m - Adamekhütte, 2196m;
3. Tag: Adamekhütte - Oberes Hochkesseleck, 2283m - Rinderfeld, 1720m - Steiglpass, 2018m - Vorderer Gosausee Parkplatz

Unterkünfte

1. Tag: Simonyhütte, 2205m; 2. Tag: Adamekhütte, 2196m

Höhenmeter

3416m (1. Tag: +1819/-504, 2. Tag: +830/-839, 3. Tag: +767/-2073)

Weglänge

42km (1. Tag: 18, 2. Tag: 8, 3. Tag: 16)

Zeitaufwand

20 1/4h
1. Tag: 8 1/4h (1 1/2 + 2 1/4 + 1 1/2 + 2 + 1),
2. Tag: 5 1/3h (3/4 + 1 3/4 + 1/2 + 1 + 1 + 1/3),
3. Tag: 6 2/3h (1 1/2 + 1 1/6 + 1 1/2 + 2 1/2)

Kondition 

GDF

Schwierigkeit 

B-C, I: zum hohen Riedel: kleinere Stufen im Steilstück A, 0+; zur Hosswandscharte: tw. steile Karren und Platten, manchmal blockig, einige 1m Stufen I-, eine höhere Stufe zum Mittelrriedel I und steile Karren A, I-; Abstieg von der Hosswandscharte eine Stelle I, dann Querung zum Grund des Weittals sehr viele Stellen A-B, I-, eine Stelle I, dann längerer Abstieg A-B, zwei Schneefelder; Aufstieg zum Hohen Trog: eine Stufe I, dann längere schluchtartige Steilstufe I+, B, zuletzt schottrig; Abstieg vom Hohen Trog: zuerst blockig mühsam 0+, dann auf Rampe einige Stellen I-, zuletzt über tw. steile Karren; am Schöberl vorbei (Punktmarkierung) häufig I-; Randkluftsteig: sehr steil von Band zu Band B; Westgratsteig: flach, plattig, kleinere Stufen A, drei größere, schluchtartige Steilstufen A-B; Linzer Weg: kleine Stufen in den Trog des Gr. Gosaugletschers 0+, steiles Schneefeld mit Randkluft im Zustieg zum 30m-Klettersteig (B) aus dem Trog, dann kleinere Stufen und Platten in der Querung unter der Schneebergwand I-, 20m fast leicht überhängender Abstieg in den Trog des Kl. Gosaugletschers B-C, dann blockig 0+ und mehrere Schneefelder, eine 15m Steilstufe B, Rampe zum Oberen Hochkesseleck 0, Abstieg zum Unteren Hochkesseleck stufig 0+, Scharte und Schrägriss I-, A-B, dann weitere Stellen I-, A-B in Richtung Reißgangscharte; Reißgangscharte: extrem brüchig und schottrig 0+, A, letzte 5m Stufe I, B; Querungen unter dem Gosaustein eine Stelle 0+, Steiglpass tw. schottrig 0+, A; Steiglweg: viele kleine Stufen in die Senke 0+, danach 0

Gefährlichkeit 

5-6: bis zum Hinteren Gosausee breiter Forstweg 2, zum hohen Riedel Querungen im Steilstück 5, zur Hosswandscharte <3 aber haxenbrecherisch, auf der Hosswandscharte Doline 5, danach Querungen oft 4-5, Aufstieg zum Hohen Trog 3-4, Abstieg auf Rampe nach Süden 20m abbrechend 5, danach <3; am Schöberl vorbei 3, Gletscher abhängig von den Bedingungen (siehe Bemerkungen), Randkluftsteig 5, Gipfelbereiche, Westgratsteig 5, Gletscher; Linzer Weg: Steilstufe aus dem Trog des Gr. Gosaugletschers 5, Querungen unter der Schneebergwand 5, Abstieg in den Trog des Kl. Gosaugletschers 5-6, weitere Steilstufe 5, Rampe zum Oberen Hochkesseleck sich verengend nach Nordosten 300m abbrechend 5-6, Scharte und Schrägriss durch 150m Wand 5-6, Reißgangscharte 4-5, Querungen unter dem Gosaustein <3, Steiglpass 4, Steiglweg: eine Doline 4, sonst <3

Besucheraufkommen 

bbc: beinahe einsam abseits der Trampelpfade

Bemerkungen

Parkgebühr €30, Hüttenübernachtung €15 + HP €40; Hallstätter Gletscher: im Flachbereich ausreichend Schneeauflage, keine Spalten sichtbar, kein Frost in der Nacht, Schnee 5-10cm aufgefirnt; zum Randkluftsteig: gute Schneeauflage in der südöstlichen Hälfte des Hanges, keine Spalten sichtbar; Randkluft: 1m breit, 1.5m tief; in den ausgeaperten Bereichen viele Spalten; Gr. Gosaugletscher: gute Schneeauflage oberhalb von 2600m, dann teilweise ausgeapert, eine kleine, übersteigbare Querspalte, Blankeis unterhalb von 2400m; der Gletscherrest im unteren Flachbereich ist nicht mehr wirklich mit dem oberen Gletscher verbunden.

Bericht

1. Tag: Seit Kindheitstagen war der Dachstein mit seinen weithin sichtbaren, weißen Gletscherflanken das Highlight des Gipfelpanoramas einer jeden Wanderung. Nachdem einige Versuche, die Tour zu unternehmen, schlechtem Wetter und Absagen zum Opfer gefallen waren, organisierte ich die Tour diesmal mit einem Bergführer. Jetzt müsste nur mehr das Wetter passen. Der Juni war von äußerst warmen Hochdruckwetter geprägt. Nach einem trockenen Winter begann der Gletscher bereits auszuapern. Die Hütten waren an den Wochenenden schon ausgebucht. Ich wollte aber sowieso unter der Woche gehen. Ich fuhr Montag Früh um 5 Uhr von Amstetten weg. Es war schon hell und die hügelige Landschaft bei Strengberg war in ein zartes Rosa getaucht. Um 7 Uhr 20 kam ich beim Parkplatz unterm Vorderen Gosausee an. Dort waren noch jede Menge Plätze frei. Die Parkgebühr für drei Tage war geschmalzen. Den Parkautomaten musste ich erst aus der Nachtruhe aufwecken, damit er die Kartenzahlung akzeptierte. Um 7 Uhr 40 marschierte ich auf der Ostseite des Sees weg. Das Weiß des Großen Gosaugletschers glänzt dort vom klassischen Postkartenmotiv. Mit Blick auf die Zacken des Gosaukamms marschierte ich auf der Asphaltstraße taleinwärts. Trotz Fahrverbots sind anscheinend manche Gleicher und wurden per Jeep ans Talende gebracht, was die Idylle am Seeufer etwas störte. Bei der Jagdhütte der Niederen Holzmeisteralm rücken Gabelkogel und Vordere Kopfwand ins Blickfeld. Die Gosaulacke danach präsentierte sich eher als Blockwüste. Das Rauschen von Wasserfällen überdeckte den Lärm eines weiteren Jeeps. Danach gewann die Forststraße an Höhe und der Hintere Gosausee war erreicht. Dieser hat normalerweise einen wesentlich höheren Wasserspiegel – wahrscheinlich, um das noch zu erwartende Schmelzwasser aufzufangen und dem Kraftwerk zuzuführen. Die Hohe Holzmeisteralm ließ ich links am Seeufer liegen und ich nahm um 9 Uhr 15 gleich die noch schattige Steilstufe am Talschluss in Angriff. Nach einer Querung nach Süden kommt eine etwas ausgesetzte Serpentine mit Blick zur gigantischen Nordwand des Hochkesselecks. Ich machte eine kurze Pause im Schatten einer Felswand mit tollem Tiefblick zu den Gosauseen, bevor ich hinaus in die Sonne musste. Nach der Quelle unter der verfallenen Grobsteinhütte öffnete sich der Blick über das weite von den Gosaugletschern ausgeschliffene Kar. Die Seitenmoränen des letzten Vorstoßes reichen bis auf 1850m hinunter. Auch die Adamekhütte war jetzt schon sichtbar und um 11 Uhr 50 hatte ich die Weggabelung erreicht. Der Weiterweg zur Simonyhütte schaut auf der Karte gar nicht so lange aus, ist aber hier mit 5h angeschrieben – das kann es ja nicht geben! Was jetzt folgt, ist wie das Eintauchen in eine andere Welt. Das erste Stück des Wegs führte über endlose Kalkplatten, die in ihrem Grau aussehen, als hätte jemand den Berg zubetoniert. Von Weg kann nicht wirklich die Rede sein: es gibt alle 2m eine Markierung, damit man bei schlechter Sicht nicht in den zahlreichen Spalten und Schlünden verschwindet; Steigspuren sind keine erkennbar. Zufällig entdeckte ich einen fotogen durchgeschnittenen Ammoniten in einer der Platten. Nach einem Feld aus Riesenblöcken, die irgendwann einmal vom bankigen Schreiberwandeck abgebrochen sein mussten, ging es wieder weiter über endlose Karren, zuletzt steiler hinunter in den Grund des Schneelochkares – ein hervorragender Reibungstest für die Schuhsohlen. Abgesehen davon, dass man sich in den Karren bei jedem Schritt zweimal die Haxen brechen könnte, waren manche Kanten gefährlich messerscharf. Gegenüber ging es ähnlich hinauf. Bei einer steilen Platte hing ein loses Drahtseil herunter, das wahrscheinlich bei Nässe gute Dienste leistet. Oben angekommen, sieht man das ganze Ausmaß der Mondlandschaft des Schneelochkares. Der Gletscher selbst hatte sich in den Schatten der Nordwand des Hohen Kreuzes zurückgezogen. Oben war noch nicht ganz oben, da der Gletscher hier ein zweites Kar ausgeschürft hatte, das ich auch noch durchmessen musste, bevor ich die Hosswandscharte gegen 13 Uhr 30 erreichte. Während ich mir dachte, dass es ja jetzt nicht mehr so weit zur Simonyhütte sein konnte, kam mir dort eine Gruppe entgegen, die sichtlich erschöpft war und sie sagten, dass sie schon fast 4 Stunden von der Simonyhütte unterwegs waren für ein bisschen mehr als die Hälfte der Wegstrecke - also stimmen die 5h doch? Nach einer ausgesetzen Querung eines Schlundrandes ging es nun steil, schottrig und mit so mancher Kraxelei hinunter ins Weittal. Sobald man um den riesigen Hosskogel-Nordpfeiler unten herumgehen kann, führt der abschüssige Weg hoch über dem Grund des Kares in Richtung Talschluss. Jetzt wurde mir klar, was mich noch erwarten würde: vor mir baute sich der Gratrücken des Hohen Trogs auf, der überwunden werden musste, und um dort überhaupt hinzukommen, musste ich den gesamten Talschluss ausgehen. Das wäre kein Problem, wenn der Steig nicht ständig ausgesetzt und mit Kraxeleien mit und ohne Drahtseil gespickt wäre. Stellenweise kamen dann auch noch Schneefelder dazu. In der Zwischenzeit waren auch ein paar Wölkchen aufgezogen, die mich aber nicht weiter beunruhigten. Hatte ich beim Aufstieg noch mit dem Gedanken gespielt, das Schöberl zu erklettern, wenn ich vor 15 Uhr die Hütte erreichen sollte, so stellte sich diese Frage jetzt nicht mehr. Ich begann auch schon meine Knochen zu spüren und musste noch Kraft für den Abstieg vom Hohen Trog sparen. Ein paar anregende Kletterstellen mobiliserten meine Kräfte, bevor es wieder schottrig zum Sattel des Hohen Trogs weiterging. Von dort bekam ich nicht nur die Simonyhütte zu Gesicht, sondern auch einen Teil des Hallstätter Gletschers. Jetzt musste ich mich noch konzentrieren, da der Abstieg wieder teilweise ausgesetzt war. Schlussendlich kam wieder eine endlose Karrenpassage an Schlünden vorbei und zuletzt hinauf zur Hütte. Es war bereits nach 16 Uhr, als ich mir zuerst einmal einen Liter gespritzten Apfelsaft bestellte, um mein Flüssigkeitsdefizit zu beseitigen, da die 3 Liter, die ich im Rucksack hatte, bei weitem nicht gereicht hatten. Auf der Terrasse herrschte geschäftiges Chillen aus Bergsteigern, die im Liegestuhl bei einem Bier die Sonne genossen, Schachspielten oder ihr Ausrüstung ordneten - nur die stinkigen Toiletten störten etwas. Nach einem Besuch der Kapelle bezog ich das Lager und traf um 18 Uhr den Bergführer Alex zum Abendessen. Nachdem wir den Plan für den folgenden Tag besprochen hatten, die Steigeiseneinstellung kontrolliert hatten, plauschten wir noch bei einem Gute Nacht-Seiterl. Den Tag könnte man mit “landschaftlich überaus lohnend, aber äußerst mühsam” zusammenfassen.

2. Tag: Der Erholungsschlaf war eher kurz, da sowohl das obligatorische Schnarchkonzert als auch die die Füße in unangenehme Positionen verbiegende Dachschräge das Einschlafen beeinträchtigten. Um 4 Uhr war Tagwache, da wir den Gipfel erreichen sollten, bevor die Massen von Gondel-Bergsteigern vom Hunerkogel dorthinkommen würden. Das Frühstücksbuffet war angerichtet und wir nahmen uns ausreichend Zeit, die Energiespeicher ordentlich aufzufüllen. Als wir unsere Ausrüstung adjustierten, ging bereits die Sonne auf und tauchte die Kalkfelsen in kitschiges Rosarot. Die aperen Stellen des Gletschers waren jetzt noch deutlicher sichtbar. Um 5 Uhr kraxelten wir den roten Punkten folgend an der Ostflanke des Schöberl vorbei zum nordwestlichsten Zipfel des Hallstätter Gletschers. Die massige Ostwand des Hohen Kreuzes erstrahlte nun in leuchtendem Gelb. Wir legten die Steigeisen an und seilten uns an. Die Firnoberfläche war 10cm tief aufgeweicht, da es selbst in der Nacht deutliche Plusgrade gehabt hatte. Nach einem mäßig steilem Anstieg folgte ein langes Flachstück bis zum Fuß des Niederen Dachstein. Dabei erklärte Alex, dass die Klettersteige über die Simonyscharte und Steiner Scharte Jahr für Jahr ein paar Meter verlängert werden, damit man den einsinkenden Gletscher erreichen kann. Nachdem wir den Ostpfeiler des Niederen Dachstein umrundet hatten, ließen wir den Einstieg zum Schulterklettersteig links liegen, stellten auf kurzes Seil um und tauschten einen Stecken gegen den Pickel aus, bevor wir das etwas steilere Stück zur Randkluft angingen. Spalten waren hier keine zu sehen, auch wenn Fotos vom Spätsommer ein völlig anderes Bild zeigen. Bei härterem Schnee wäre das angenehmer zu gehen gewesen, aber wir erreichten gegen 7 Uhr 45 den Einstieg zum Klettersteig, für den man zuerst etwas in die Randkluft hinein absteigen muss, damit man zu den Stahlstiften und zum Drahtseil hinüberspreizen kann. Wir kletterten auf das erste Band hinauf und zogen uns dort die Steigeisen aus, während eine Dreiergruppe uns im Abstieg passierte. Der weitere fast senkrechte Aufstieg erfolgte im Klettersteigmodus, wobei jeder von uns einen Karabiner bediente und wir uns beim Umhängen koordinierten, sodass immer ein Karabiner im dicken Drahtseil eingehängt war. Das war wesentlich schneller, als wenn jeder von uns zwei Karabiner hätte bedienen müssen. Nach einer halben Stunde hatten wir das Gipfelkreuz erreicht. Der Blick vom Torstein über den Niederen Dachstein zum Gjaidstein war eindrucksvoll. Im Süden waren aber leider schon einige Wolken aufgezogen, sodass uns die Fernsicht dorthin verwehrt blieb. Eine freche Dohle war an meiner Gipfeljause interessiert. Der Abstieg über den Westgrat begann mit einigen glatten Platten. Der Westgrat ist mit einem an massigen Eisenhaken befestigten, dicken Drahtseil ausgerüstet – einige der Haken sind wahrscheinlich noch original aus dem 19. Jh. Der Weg führt anfangs flach abfallend entlang des Südwandabbruchs am Ausstieg des Steiner Wegs vorbei. Eine Steilstufe wird mit einer reichlichen Anzahl an Stahlstiften überwunden; eine zweite quert nordseitig in eine Schlucht und führt dann unter einem Überhang zurück zum plattigen Grat. Zuletzt erreicht man eine schneegefüllte Schlucht, durch die man zum Gletscher absteigen kann. Bevor wir dies taten, legten wir die Steigeisen wieder an und bauten auf kurzes Seil um. Entlang der Südwände von Mitterstein und Torstein wölbte sich schon eine Wolkenwand empor. Das erste Steilstück war wegen des aufgeweichten Schnees etwas rutschig. Unter den gewaltigen Gletscherspalten unter der Mitterstein-Ostflanke stellten wir das Seil auf Gletscher um und marschierten link über das lange Flachstück in Richtung Einstieg zur Steiner Scharte. Dort ist mittlerweile ein quasi überhängender Felsbuckel zu überwinden, um auf das abschüssige Felsband zu kommen. Wir stiegen am östlichen Gletscherrand weiter ab. Ein paar kleine, mit Schnee verschlossene Gletscherspalten waren zu überqueren und zuletzt waren auch einige Stellen Blankeis, bis wir den unteren, flachen, mit Toteis gefüllten Kessel erreichten. Von dort geht links der Amon-Klettersteig zur Simony-Scharte hinauf. Wir querten das flache Blankeis, über das glasklare Bäche plätscherten, bis sie in den Spalten verschwanden. Im Gletschervorfeld war feinster Staub abgelagert und manche Felsrippe war spiegelglatt poliert. Dort waren auch die Kuhtrittmuscheln wunderbar zu bestaunen. Nachdem wir die Moräne erstiegen hatten, war die Adamek-Hütte schon sichtbar. Dort lieferte ein Hubschrauber gerade eine Ladung Bierfässer an. Es war kurz nach 11 Uhr als wir in die Hütte eintraten und uns eine warme Suppe bestellten. Ich bezog das Lager, da ich erst morgen über den Linzersteig absteigen würde. Alex verstaute seine Sachen und lief gleich direkt zum Gosausee hinunter. Ich verbrachte den Nachmittag auf der Terrasse. Inzwischen waren bedrohlich schwarze Wolken hinter dem Mitterstein aufgezogen. Sonne und Schatten wechselten, aber es kamen weder Regen noch Gewitter. Nach und nach kamen weitere Wanderer bei der Hütte an. Einige davon aus Deutschland machten eine Dachsteinumrundung von Hütte zu Hütte. Nach dem Abendessen begannen sich die Wolken wieder zu verziehen. Plötzlich hörten wir Steinschlag von der Schreiberwand. Nach einigen Minuten erkannten wir, dass dort nicht nur Steine herunterkamen, sondern auch ein Rudel männlichen Steinwilds. Nach und nach zogen sie näher und boten den Hüttengästen ein perfekt inszenierte Show, bis die Sonne die Gipfel in Orangerot tauchte.

3. Tag: Nach einer trotz Vollbelegung ruhigen Nacht stand ich vor 6 Uhr auf, um dem Stau bei den Waschbecken und den Plumpsklos zuvorzukommen. Dort herrschte allerdings schon reger Betrieb. Nach dem Frühstück holte ich meine Schuhe und getrockneten Socken und bereitete mich auf der Terrasse um 6 Uhr 30 auf den Abmarsch vor. Die Temperaturen waren sommerlich, sodass ich nach ein paar Metern den Pullover schon wieder auszog. Die Gipfel ringsum waren noch im Schatten, als ich in den Grund desausgeschliffenen Trogs der ehemaligen westlichen Gletscherzunge hinunterquerte. Am anderen Ende baute sich eine Wand vor mir auf, die mit Hilfe eines Drahtseiles und einigen Stahlstiften zu überwinden wäre. Um dorthin zu gelangen, musste ich allerdings zuerst über ein kleines Schneefeld hinauf und eine Randkluft überwinden – bei härterem Schnee hätte ich wohl die Steigeisen anlegen müssen. Die Stöcke packte ich auf dem Klettersteig nicht weg, was sich alsbald als Fehler herausstellte, denn oben angekommen fehlte ein Teil meines Stockes. So ließ ich meinen Rucksack zurück und stieg wieder ab. Der Stock war zum Glück nicht in der Randkluft verschwunden, sondern lag am Weg auf einem Felsband. Nach diesen Zusatzhöhenmetern ging der Weg der Schneebergwand entlang absteigend in Richtung Norden. Bald kam die Sonne über die Simonyscharte herüber und Gedenktafeln kündigten eine ausgesetzte Querung an. Nach einer Blockzone war der First des Torsteinecks erreicht. Von hier konnte ich den Trog des Kl. Gosaugletschers einsehen. Der Gletscher hatte sich in das schattige, obere Kar zurückgezogen; die Nordostseite des Trogs war aber stellenweise überhängend ausgeschliffen. Diesen Felswulst galt es nun mit Hilfe von Stahlseil und -stiften zu überwinden. Wieder wäre es besser gewesen, die Stöcke am Rucksack zu verstauen, da der Klettersteig zwar kurz, aber im Abstieg einigermaßen anspruchsvoll war. Das nächste Ziel war ein großer Felsklotz in der Mitte des Kares, hinter dem der Weg zur Windlegerscharte abzweigte. Ich ging aber über Schotter, Platten, Blöcke und Schneefelder querend weiter in Richtung Hochkesselkopf, während das Tal der Gosauseen in Verlängerung unter mir lag. Nach einer weiteren senkrechten Klettersteigstelle steuerte ich das schottrige Band an, das den Durchstieg der enormen Hochkesseleck-Nordwand erlaubt. Den Eiskarlspitz sieht man von hier von seiner beeindruckenden Schmalseite. Das abschüssige Band verengt sich gegen Ende, was die Konzentration steigert. Am Oberen Hochkesseleck angekommen, war mir mit einem Blick klar, dass ich den Hochkesselkopf auslassen würde, da dieser ein ziemlicher Umweg wäre und alles andere als einfach aussah. Daher machte ich eine kurze Pause und genoss das Panorama von den Hohen Tauern über Hochkönig, den nahen Gosaukamm zu den Salzkammergutbergen. Um 8 Uhr 30 warf ich einen letzten Blick zurück zur Adamekhütte und ging weiter über das Mini-Karstplateau zum Unteren Hochkesseleck, von wo eine Scharte den Einstieg in eine beeindruckende, absteigende Querung der glatten Südwestwand ankündigte. Am Fuß der Wand kam mir ein Pärchen entgegen, die die Nacht am Rinderfeld verbracht hatten. Den Hinteren Gosausee zur Rechten führen ein paar leichte Felsstufen hinunter zur Scharte des Reißgangsattels, der nach beiden Seiten in schottrig, labiles Schluchtgelände abbricht. So beeindruckend der Blick durch die enge Felspforte in Richtung Rettenstein war, so unangenehm war der Abstieg. Drahtseile gaben ein wenig Halt auf dem losen Bett von faustgroßen Steinen. Nur die letzte Steilstufe bot festeren Fels und einen Blick zu den Teufelsaugen die von hoch über der Schlucht herunterstarrten. Bald kam die Bischofsmütze links der senkrechten, glatten Wände des Gosausteins hervor, an dessen Fuß sich rudimentäre Behausungen in Felsnischen befinden. Um 9 Uhr 45 erreichte ich die Weggabelung am Rinderfeld. Nach stundenlangen Grautönen gewöhnte sich das Auge langsam an das satte Grün, das hier die Landschaft dominierte. Die nächste Unbekannte war die lange Querung bis zur Abzweigung zum Steiglpass. Von dort weg kannte ich die restliche Route schon von einer früheren Tour. Ich hielt mich daher nicht lange auf und machte mich auf den Weg zwischen einem Bächlein und einem von Kühen ausgetretenen Almsteig. Plötzlich huschte etwas Braunes aus meinem Sichtfeld, was ich als Murmeltier identifizieren konnte. Auf diesem Weg waren deutlich mehr Wanderer unterwegs. Neben mehreren kurzen Gegenanstiegen, begann jetzt auch noch die Sonne ordentlich einzuheizen. An einer Stelle musste ich den Weg durch ein breit ausgerissenes Bett eines Wildbaches suchen. Nach fast einer Stunde hatte ich die Weggabelung erreicht und ich schmierte mir noch einmal Sonnencreme nach, denn diese brannte jetzt gnadenlos in den Steilaufstieg zum Steiglpass. Die felsigen Passagen kamen mir hier ein wenig rutschiger ausgeputzt und mit mehr Drahtseilen gesichert vor als vor 20 Jahren. Vom Steiglpass genoss ich noch einmal die Aussicht in die Tauern und zur Hofpürglhütte, bevor ich gegen 11 Uhr 30 den langen Abstieg in Angriff nahm. Anfangs verlangsamten die Felsstufen bis in die Gasse hinunter ein bisschen, später waren es dann die müden Knie. Ich machte den Abstieg zur Bergsteiger-Gedächtniskapelle. Von dort zog es sich dann immer noch endlos, mehrere Schotterkare querend und an zwei Jagdhütten vorbei, bis es schließlich etwas steiler hinunter zum See geht. Der Kulturschock trifft einen hart, wenn man dann an Selfie-geilen Touristengruppen vorbeimarschiert, die ihre Zehen in den kalten Bergsee tauchen. Da ich meine Wasservorräte schon auf dem Steiglweg rationieren musste, bestellte ich mir kurz nach 14 Uhr noch ein großes Obi gespritzt auf der Seeterrasse. Nachdem mir der Kellner erklärt hatte, dass er erst auf den Dachstein wandern würde, wenn der Gletscher endlich weg wäre, ging ich hinunter zum Parkplatz und fuhr mit Vorfreude auf ein Atterseebad nach Steinbach.



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