Ennstaler Alpen
Österreich
2023

Admonter Reichenstein


2. 9. 2023

Peter Schrammel

Wetter

wolkenlos, dann leicht bewölkt

Bewertung 

******: Zweitschwierigster Gipfel im Gesäuse

Wegverlauf

Johnsbach, 753m - Mödlinger Hütte, 1523m - Abzweigung Pfarrmauer, 1920m - Admonter Reichenstein, 2251m - Abzweigung Pfarrmauer - Mödlinger Hütte - Johnsbach

Höhenmeter

1588m

Weglänge

17km

Zeitaufwand

7 1/4h (1 3/4 + 1 + 1 1/2 + 1 1/4 + 3/4 + 1)

Kondition 

G: 3 Stunden ununterbrochen 100% Konzentration zehrt gewaltig an den Kräften

Schwierigkeit 

II+: hohe Stufe nach dem Heldenkreuz I; bis zur markanten Scharte vier 10-20m lange plattige Querungen im 55-60° steilen Gelände, oft nur fingerbreite Griffe und Tritte, nicht immer verlässlicher Fels I+ bis II (Bohrhaken); Herzmann-Kupfer-Platte 20m Auf- und Ab-Querung im 70° steilen Gelände, 1-2 fingerbreite Griffe und Tritte in gutem Fels (außer einer losen Schuppe im ersten Drittel), eine 1m breite, grifflose Reibungsplatte II+ (Bohrhaken und zwei Griffbügel); Südschlucht größtenteils I- in brüchigem Gestein, abwechselnd mit schwierigeren Stellen in besserem Fels: Querung zum Grund der Schlucht und Ausstieg aus dieser I+, 5m hohe Stufe II (Bohrhaken), eine zweite 5m hohe Stufe II+ (nicht einfach im Abstieg, Bohrhaken), 2m hohe Stufe I+; Gipfelhang einfacher 0+ bis I-

Gefährlichkeit 

6: Aufstieg zur Mödlinger Hütte 1-2; zum Heldenkreuz Karstspalten (auch in der Wiese), Aufstieg in Richtung Pfarrmauer 3; Querung zur markanten Scharte immer ausgesetzter werdend 4-5; Herzmann-Kupfer-Platte 6; Südschlucht durchgehend 5, manche Stellen 6; Querung zum Gipfelhang 6; Gipfelhang 3; Gipfelbereiche!

Besucheraufkommen 

c: Der Andrang hält sich wegen der Ernsthafitgkeit der Tour in Grenzen.

Bemerkungen

Die schwierigen Stellen sind auch alle sehr ausgesetzt. Es gibt vor und nach den 7 gefährlichsten Stellen Bohrhaken. Es macht Sinn, an diesen Stellen vor- und nachzusichern. 30m Seil und HMS-Karabiner sind ausreichend; ev. 2 Exen und 2 Bandschlingen für Zwischensicherungen.

Bericht

Seit meiner Kindheit rankten sich Schauergeschichten um den Admonter Reichenstein als schwieriger und gefährlicher Berg. Die nüchterne Bewertung von I+ im Hess Gesäuse-Führer passte da nicht ganz dazu. Ich musste erste mit der Zeit lernen, dass dort nur Schwierigkeit bewertet wird, nicht aber Gefährlichkeit. In neueren Führern wird derselbe Weg mit II-III bewertet, was schon deutlich ernsthafter klingt, vor allem, da man ja das ganze wieder abklettern muss. Dazu kommt noch, dass man die abschüssigen Felsplatten queren muss, wo Ende des 19. Jh. die Bergsteiger Herzmann und Kupfer beim Versuch das Totenköpfl zu erklettern tödlich abgestürzt zu liegen kamen (Kreuz). Die heute als Herzmann-Kupfer-Platte im engeren Sinne bezeichnete Schlüsselstelle befindet sich am Ende dieser den Ruf des Normalwegs begründenden endlosen Plattenquerung. Mit einigen Bergtouren in den Haxen war es diesmal soweit – ich würde mir diesen Weg anschauen, über den ich mir schon so viele Informationen hineingesaugt hatte. Wenn es zu gefährlich würde, könnte ich ja jederzeit umdrehen. Das Wetter würde am Nachmittag etwas instabiler werden, daher brach ich kurz nach 5 Uhr von Amstetten auf. Beim Starten des Autos brach das Gehäuse des Schlüssels auseinander – es fing also schon gut an, was mich aber nicht weiter beunruhigte. Im Ortsgebiet von Altenmarkt musste ich drei Rehen Vorrang bei der Überquerung der Straße geben. Um 6 Uhr 40 marschierte ich bei wolkenlosem Wetter vom Parkplatz beim Ghf. Donner in Johnsbach ab. Der Weg war ziemlich feucht vom heftigen Regen zwei Tage zuvor – hoffentlich würde der Fels weiter oben schon aufgetrocknet sein. Der Weg war sehr ruhig bis zur Mödlinger Hütte – nicht besonders aufregend, aber besser als ein Forststraßenhatscher. Auf einer Almfläche erhaschte ich den ersten Blick zum Gipfelaufbau und der vorgelagerten Pfarrmauer. Von mir zunächst unbemerkt, grasten zwei Gams auf der Wiese und beobachteten mich, wie ich ein Foto machte. Die Mödlinger Hütte war mit Werbeplakaten zugepflastert, deren Sinn sich mir erst später erschloss. Es war gegen 8 Uhr 30 und ich genoss den herrlichen Blick zu den Südwänden des Sparafelds und des Reichensteins. Drei Bergsteiger wanderten vor mir in Richtung Pfarrmauer. Vorbei an der braunen Lacke des Treffnersees, einer auf dem Weg lagernden Kuhherde und einem markanten Felsturm erreichte ich bald das Heldenkreuz. Von dort führt der Weg über einer gar nicht einfache, rutschige Kletterstelle in eine von dichten Latschen bewachsene Scharte hinunter. Dann ging es in engen Serpentinen über eine mäßig steile Grasflanke in Richtung Pfarrmauer. Die drei Bergsteiger vor mir waren schon in der berüchtigten Querung. Ich setzte mir meinen Helm auf und machte mich an die Schwierigkeiten. Ich war schon fast 3 Stunden unterwegs – ganz so lange würde es wohl nicht mehr dauern bis zum Gipfel. Die Querung ist am Anfang noch nicht sehr ausgesetzt. Das Gelände steilt sich aber nach und nach bedrohlich auf. Die Plattenstellen gestalteten sich noch wesentlich unangenehmer, als ich sie mir vorstellt hatte. Jeder Schritt erforderte volle Konzentration. Die roten Striche waren sehr hilfreich. Trotzdem verkletterte ich mich einmal und musste ein paar Meter wieder zurück. Als ich die markante Scharte im Südgrat des Totenköpfls erreichte, die von einem gesichtsförmigen Felsen überragt wird, hatte ich mich schon an die Kletterschwierigkeiten im ausgesetzten Gelände gewöhnt. Die Schlüsselstelle konnte nun auch nicht mehr unangenehmer werden. Die ersten beiden Schritte waren positiv – endlich verlässlicher Fels und Griffe, die den Namen verdienten. Dann ging es ein bisschen hinunter. Genau dort war eine lose Schuppe, die schon jemand angerissen hatte – dort sollte ich mich jetzt eher nicht anhalten. Die nächsten paar Meter ging es verhältnismäßig einfacher wieder aufwärts. Dann stand ich vor einer geneigten Platte ohne jeden Griff oder Tritt. Wie geht es hier weiter? Nach einigem Suchen sah ich einen Griff in einem guten Meter Entfernung auf der anderen Seite der Platte. Den konnte ich erreichen, die Position war aber etwas aus dem Gleichgewicht. Mit einer Hand rübergreifen, zwei Reibungstritte auf die Platte und schon war auch die zweite Hand am Griff. Nun noch ein paar Meter abklettern und dann war es geschafft. Der Blick zurück ist umso eindrucksvoller, weil man nun erst so richtig sieht, wie verdammt ausgesetzt die Stelle ist. Zwei nachfolgende Bergsteiger waren gerade in der Scharte. Nach einer Querung und einer ausgesetzten hohen Stufe erreichte ich den Grund der Südschlucht, die von der Vorderen Flitzenalm heraufzieht. Von der Mödlinger Hütte tönte lauthals das Geschwätz eines Stadionsprechers herauf. Anscheinend war die Hütte das Ziel einer Sportveranstaltung. Das kommende Gelände war eher nach meinem Geschmack, auch wenn die Felsqualität im einfacheren Gelände sehr zu wünschen ließ. Über etwas schwierigere Stellen in gutem, rauhem Fels gelangte ich auf die östliche Seite der Schlucht. Weiter oben sah ich wie die Dreiergruppe vor mir, sich mit Seil über einen Steilaufschwung hinaufsicherte. Nach etwas einfacherem Gelände kam noch eine zweite Steilstufe, wieder in hervorragendem Fels. Über Bänder erreichte ich den Fuß der Südwand, von wo Steigspuren von der Totenköpflscharte herüberkommen. Nach einer kurzen Steilstufe windet sich der Weg auf einen luftigen Balkon. Dort überholte ich zwei der Bergsteiger vor mir – der dritte war schon weit voraus. Ich nahm das obere Band und bemerkte, als ich um die Ecke bog, dass der Weg eigentlich über das untere Band geführt hätte. Ein paar Schritte im guten Fels brachten mich wieder auf den Steig zurück. Das Gipfelkreuz war nun sichtbar. Ich erreichte es an einem Schlund vorbei in weiten Serpentinen. Es war 11 Uhr 10. Die Fernsicht war noch ziemlich gut, obgleich es über dem Dachstein und den Niederen Tauern schon einzelne Wolken gab. Ich wanderte über den breiten Gipfelrücken weiter nach Norden hinunter, um eine bessere Sicht ins Ennstal zu haben. Den Abstieg zum letzten einfach erreichbaren Absatz sparte ich mir, auch wenn mir dadurch ein freierer Tiefblick verwehrt blieb. Während ich meine Gipfeljause aß, packten zwei der Bergsteiger ihre Wingsuits aus. Die dritte Bergsteigerin hatte die Aufgabe, ein Seil zum Absprungpunkt zu legen und den Flug fotografisch zu dokumentieren. Vier weitere Bergsteiger waren in der Zwischenzeit angekommen und bestaunten das waghalsige Vorhaben. Auch hatten sich schon mehr Wolken geblidet und ich sollte ernsthaft an den Abstieg denken. Die Plattenquerung wäre bei Nässe so gut wie unpassierbar. Den Wingsuit-Flug wollte sich aber keiner entgehen lassen. Der erste rauschte hinunter und schaffte es über den Pfarrmauergrat in Richtung Ghf. Donner zu fliegen. Der zweite traute sich das nicht und flog das Langgrieß hinunter zur Straße. Um 12 Uhr 10 stieg ich ab. Der Gipfelhang war einfach. Danach war aber deutlich mehr Vorsicht auf dem brüchigen Fels gefragt. Im gefühlten Zeitlupentempo ging es hinunter. Ich kam bei einem Kletterpärchen vorbei, das das Totenköpfl überschritten hatte, aber entschieden hatte, sich wegen der Wetterverschlechterung den Gipfel zu sparen. Bei einer Steilstufe handelten sich die zwei Bergsteiger vor mir am Seil hinunter. Das war sicher etwas einfacher als abzuklettern. Vor der Querung rastete ich kurz und wartete, bis sich die zwei vor mir mit dem Seil hinübergesichert hatten. Dann ging ich die Schlüsselstelle an, die sich nicht wesentlich einfacher anfühlte. Auch die weiteren Platten hatten nicht an Gefährlichkeit eingebüßt und so ging es im Schneckentempo die ganze Querung zurück. Es war mittlerweile 13 Uhr 30. Der Ödstein stand nun in voller Pracht da. Flott wanderte ich zurück zur Mödlinger Hütte. Dort war die Siegerehrung des Bergduathlons in vollem Gange und auf der Terrasse floss das Bier in Strömen. Ich mischte mich mit Kaffee, Punschkrapfen und Radler in das Getümmel und genoss die Nachmittagssonne. Um 15 Uhr ging ich das letzte Stück des Abstiegs an, das ich wesentlich schneller als erwartet hinter mich brachte. Kurz nach 16 Uhr war ich beim Parkplatz und machte noch einen Abstecher zu Kirche und Bergsteigerfriedhof. Ich bastelte den Autoschlüssel wieder zusammen und startete. Der Schlüssel fiel aber gleich wieder auseinander. Ich sammelte die Teile ein und fuhr los. Nach einem Zwischenstopp bei den Weyrern startete das Auto nicht. Es dauerte eine Stunde, bis wir den Zusammenhang zwischen dem Nichtstarten und dem in den zerbröselten Schlüsselteilen befindlichen Transponder begriffen hatten. Nach korrektem Positionieren des Transponders konnte ich schließlich weiterfahren und war um 20 Uhr in Amstetten.



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