Sengsengebirge und Reichraminger Voralpen
Österreich
2019

Weingartalm


4. 10. 2019

Peter Schrammel

Wetter

heiter, 2°C im Tal, sonnig in der Höhe

Bewertung 

****: große Hintergebirgsrunde durch einsame Täler und verwildernde Wege

Wegverlauf

Reichraming, 356m - Hohe Stiege, 536m - Grasslalmgraben, 1008m - Sitzenbachklause, 895m - 1212m - Weingartalm, 1154m - Steyrsteg, 946m - Bodinggraben, 641m - Hausbach, 463m - In den Mösern, 1013m - Reichraming

Höhenmeter

1599m

Weglänge

67km

Zeitaufwand

7 1/2h (1 1/4 + 1 1/2 + 1/3 + 2/3 + 1/6 + 1/6 + 2/3 + 1/2 + 1 1/2 + 3/4)

Kondition 

G: Viel Fahrrad-Schieben und -Tragen...

Schwierigkeit 

++-+++: Bis zur Abzweigung in den Grasslalmgraben +; Grasslalmgrabenstraße <50% fahrbar: zu Beginn sehr steil, nach oben hin immer mehr querliegende Bäume, die umgangen oder überklettert werden müssen; tiefe Querrillen alle 50m, die manchmal nicht durchfahren werden können; Abfahrt zum Sickenbach 90% fahrbar, an zwei Stellen Straße von querendem Bach weggerissen; Auffahrt zur Stöfflalm 60% fahrbar, einige querlliegende Bäume; bis zum Steyrsteg tw. steile Forststraße +-++; Schneetalweg: schmal, teilweise faustgroße Steine ++-+++; Auffahrt zu den Mösern +; Wanderweg 60% fahrbar, oft sehr feucht; Abfahrt in den Rohrbachgraben steile Forststraße +-++

Gefährlichkeit 

4: Steilabfälle am Beginn des Weges in den Grasslalmgraben 3, Steilabfälle in der Abfahrt zum Sickenbach 3, Steilabfälle vor Stöfflalm 3, fast durchgehend Steilabfälle direkt neben dem Weg im Schneetal 4, Vorsicht: hohe Brücken ohne Geländer

Besucheraufkommen 

b: nicht viel los am Ende der Saison

Bemerkungen

Die langen Tunnels sind nun beleuchtet; dennoch ist eine Lampe zu empfehlen. Die Wege zwischen Hoher Stiege und Stöfflalm werden nicht mehr gewartet. Viele Bäume liegen quer. An manchen Stellen (noch nicht die kritischen) wurden die Wege von Wildbächen weggeschwemmt. Die Brücken sind zum Glück aus Beton. Es wird nicht mehr lange dauern, dann sind die Wege kaum mehr erkennbar sein. Die Begehung dieser Wege verlangt Respekt und alpines Gespür. Ist man in der Sitzenbachklause, ist das nächste Handy-Signal zwei Stunden Fußmarsch entfernt.

Bericht

Nach einem Schlechtwettereinbruch mit Temperatursturz war wieder ein sonniger Tag angesagt. So fuhr ich nach Reichraming, um eine Mountainbiketour im Hintergebirge zu machen, die ich schon vor mehr als zehn Jahren einmal machen wollte. Ich stellte das Auto am Ortsausgang ab und nach 8 Uhr rollte ich gemächlich auf der Straße entlang des Großen Bachs bei Temperaturen knapp über Gefrierpunkt taleinwärts. Bei einem Parkplatz erleichterte ich mich in einem Plumpsklo. Umso schneller ging es dann an der Großen Klause und einer etwas eigenartigen Luchsstatue vorbei zum Annerlsteg, wo der spektakuläre Abschnitt des Tales beginnt. Die Tunnel sind solarbeleuchtet, doch tropft es von der Decke. An der Abzweigung von der Hohen Stiege kam mir kurz vor 10 Uhr 30 ein Radfahrer entgegen. Ich fuhr weiter Richtung Sitzenbachklause und Weingartalm. Ein Abschnitt der nun Kernzone des Nationalparks ist. Betreten auf eigene Gefahr. Radfahren sicherlich verboten. Die Forststraßen und Tunnels sind dem Verfall preisgegeben, was sich nach wenigen Jahren bereits bemerkbar macht. In den Tunnels ist Vorsicht geboten, da schon einige kleinere Felsbrocken herumliegen. Die Notwendigkeit einer Stirnlampe versteht sich von selbst. Gott sei Dank sind die Brücken der ehemaligen Waldbahn sehr massiv gebaut und man wird noch für einige Jahre die Schluchten des Haselbachs und Sitzenbachs gefahrlos überqueren können. Dazwischen schaut es aber schon wesentlich wilder aus. Querliegende Bäume alle 5 bis 10 Meter machten das Aufsteigen auf das Rad so gut wie sinnlos. Schieben und noch mehr Tragen war angesagt. Die einsame Stille des Waldes war so beruhigend wie unheimlich. Es würde einen nicht wundern, wenn an der nächsten Ecke plötzlich Bär, Wolf und Luchs auftauchen würden. Gegen Mittag hatte ich das mühsamste hinter mir und der Blick wurde frei in die Schlucht des Hetzgraben und Richtung Größtenberg. Die Abfahrt war streckenweise noch gut machbar, allerdings unterbrochen von einigen Stellen, wo querfließende Wildbäche den Weg völlig weggeschwemmt hatten. In einigen Jahren wird es wahrscheinlich so gut wie unmöglich sein, solche Stellen selbst ohne Fahrrad zu passieren. Nachdem der Weg auf die andere Bachseite wechselte, erschien plötzlich das hölzerne, verfallene Ungetüm der Sitzenbachklause, ein Relikt aus einem anderen Zeitalter in dieser außergewöhnlichen Landschaft. An diesem Punkt ist man gut drei Stunden Fußmarsch von jeglicher Zivilisation entfernt. Handyempfang hatte ich seit der Großen Klause keinen mehr. Plötzlich gelangte ich an eine Weggabelung. Leider war diese gerade außerhalb meines Kartenausschnitts. Mist. Ich musste eine ehemalige Forststraße am Westhang des Hetzgraben nehmen. Dieser war in meiner alten Karte als markiert ausgewiesen. Da ich auch vorher schon alte Markierungen gesehen hatte, müsste ich auch dort Markierungen finden. Da es vorher keine Abzweigung gegeben hatte, müsste es dann dieser Weg sein. Ich ließ das Fahrrad zurück und machte mich auf die Suche. Die Straße führte in die richtige Richtung, was mich positiv stimmte und nach ein paar Metern fand ich eine eindeutige rotweißrote Markierung an der Felswand. Also holte ich das Rad und weiter ging es schiebend und tragend über die querliegenden Baumstämme aufwärts. Bald wurde die Straße fahrbarer und ich gelangte auf eine Lichtung. Plötzlich waren auch Autoreifenspuren auf der Straße. Dieser Ast der Forststraße schien also noch gewartet zu werden. Daher nahm ich diesen, um noch mehr Mühsal zu vermeiden. Nach dem vielen Tragen und Schieben schon sehr müde trat ich langsam die steile Straße hinauf. Plötzlich wurde der Blick in den Hetzgraben frei und auch in Richtung der angezuckerten Gipfel des Pyhrgas und Scheiblingsteins. Nach mehreren kurzen Halten radelte ich schließlich die langen Querung Richtung Weingartalm. Von Zeit zu Zeit wurden Blick zu den schneebedeckten Gipfeln der Haller Mauern und des Warschnecks frei. Ich entschied mich eine längere Pause unten beim Steyrsteg einzulegen. Ich rollte flott hinunter und setzte mich auf einem Baumstamm entlang des Weges. Als ich um dreiviertel zwei Uhr meine Jause auspackte, kam auch schon ein Wanderer. Die Single-Trail-Abfahrt durch den Schneegraben ist sehr lohnend, aber über lange Strecken sehr, sehr ausgesetzt. Höchste Konzentration. Eine halbe Stunde später war ich in Bodinggraben. Trotz der wunderschön gepflegten, grünen Wiesen zog sich die Straße hinaus bis zur Abzweigung in den Hausbachgraben ziemlich. In der ersten steileren Kurve im Schneegraben blockierte plötzlich meine Kette und der Kettenspanner brach ab. Schmarren. Das wäre nicht das erste Mal, dass das passiert. Aber natürlich hatte ich dieses Mal meinen Kettennieter nicht mit, um auf Single-Speed zu verkürzen. Kurz durchatmen. Nur noch 500 Höhenmeter. Das wird mühsam, ist aber keine Katastrophe. Den Abstecher zur Hohen Dirn würde ich mir für das nächste Mal aufheben. Ich fixierte Kette und Kettenspanner mit Klebeband und begann zu schieben. Die Zeit wurde plötzlich lang. Beim Bilderstadel entschied ich mich den Wanderweg zu nehmen, anstatt den großen Umweg der Forststraße zu folgen. Der erste Teil war ja noch vorteilhaft, dann ging es aber rauf und runter und schließlich landete ich im Schlamm und musste das Rad durchs Unterholz schieben. Es war bereits 17 Uhr 30, als ich den Sattel erreichte. Da kam plötzlich ein Jeep. Gut, dass mein Rad nicht fahrfähig war, während ich vom ausgeschilderten Radweg abgewichen war, um direkter nach Reichraming zurück zu kommen. Schließlich ging es allerdings bergab und ich konnte durch den Rohrbachgraben zur Enns hinunterrollen. Nun musste ich nur mehr einige Gegenanstiege überwinden und die Flachstücke im Tretrollerstil zurücklegen, um zurück zum Auto zu gelangen. Schlussendlich kam ich erst nach 20 Uhr in Amstetten an.



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